Ausgangspunkt war die Behauptung Kants über die Idealität von Raum und Zeit. Kant dachte Raum und Zeit nicht als physische Objekte, sondern als reine Formen der Anschauung, d.h. als etwas, das dem Subjekt allein zugehörig ist. Alles, was Gegenstand der Anschauung wird, d.h. was sinnlich gegeben ist, ist deshalb kein ”Ding an sich”, sondern Erscheinung. Raum und Zeit sind dabei die basalen Ordnungsfunktionen. Sie bewirken, dass Objekte nebeneinander und nacheinander sein können, sind selbst aber weder Objekte noch Eigenschaften von Objekten. Kant nannte die darauf aufbauende Theorie ‘transzendentaler Idealismus’. Diejenige Theorie, welche die Realität von Raum und Zeit behauptete, war für ihn deshalb ein ‘transzendentaler Realismus’. Kants Ziel bestand darin aufzuzeigen, dass alle unsere Erkenntnisfunktionen letztlich auf Erscheinungen zielen, d.h. mittelbar oder unmittelbar auf das, was in Raum und Zeit erscheint. Damit etablierte Kant – im Zusammenhang der theoretischen Philosophie – ein wissenschaftliches Weltbild, in dem die Dinge, das Ich, Gott und Freiheit unter das Verdikt des An-sich fallen. Weil es sich bei diesen Inhalten nicht um Erscheinungen handelt, können sie auch nicht als solche Gegenstand unserer wissenschaftlichen Erkenntnis sein. Stellt man alle historisierenden Vorbehalte beiseite, so ließe sich Kants Theorie als ein durch Protagoras gebändigter Platon darstellen. Denn Kant beharrt einerseits auf der Undurchdringlichkeit der Erscheinung, eine Undurchdringlichkeit, in die sich das An-sich der Dinge aufgelöst hat, und ist daher der Philosophie des Protagoras verwandt. Andererseits betont Kant den apriorischen Anteil der Erkenntnis: Es gibt für Kant reine Begriffe des Verstandes wie für Platon reine Ideen. Erst in der Beziehung aufeinander und Begrenzung durcheinander findet bei Kant Erkenntnis statt. (Christoph Asmuth, Realismus und Idealismus)